Gambit by Stout Rex
Autor:Stout, Rex [Stout, Rex]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-11-21T16:00:00+00:00
9
Daniel Kalmus stellte sich am folgenden Tag kurz nach zwölf Uhr mittags ein, womit sich Wolfes Voraussagungen wieder einmal bewahrheiteten. Und es war ein Segen, daß er vor dem Lunch kam, weil sonst die am Spieß gegrillten, in Olivenöl getauchten, mit Pfeffer, Salz, Thymian, Senf und Muskat gewürzten und mit brauner Butter übergossenen extrafeinen Lammnieren an Wolfe rein verschwendet gewesen wären. Er hätte sie zwar hinuntergewürgt, aber genossen hätte er sie nicht, und unter diesen Umständen hätte man sie ebensogut Voltaire servieren können.
Bis zu Kalmus' Besuch herrschte bei uns gewissermaßen dicke Luft. Der Tag wird mir schon deshalb ewig unvergeßlich sein, weil Wolfe mir zum erstenmal im Laufe unserer Zusammenarbeit Instruktionen gab, um sie gleich darauf ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Ich kann nur hoffen, daß so etwas nie wieder vorkommt, weil es einen völlig entnervt. Sally und ich frühstückten gerade pochierte Eier und selbstgebackene Hörnchen, als Wolfe mich aus seinem Zimmer über den Hausanschluß anrief und mir befahl, Saul Panzer, Fred Durkin und Orrie Cather - unsere Hilfstruppe - für sechs Uhr ins Büro zu bestellen. Meine Lebensgeister hoben sich. Ich hatte zwar keine Ahnung, mit welchem Auftrag er die drei losschicken wollte, aber um eine Lappalie konnte es sich nicht handeln, denn die drei kosten uns insgesamt 30 Dollar pro Stunde. Zehn Minuten später meldete er sich von neuem und zog den Befehl zurück, und ich versank in Trübsinn. Der Tag fing heiter an.
Und genauso heiter ging er weiter. Als Wolfe um elf Uhr nach zweistündigem Aufenthalt bei den Orchideen im Büro aufkreuzte, begrüßte er unsere Klientin, die mit der Times in einer neutralen Ecke saß, mit einem gereizten Blick und einem verdrießlichen Nicken. Mich strafte er mit Nichtachtung, obwohl ich gar nichts verbrochen hatte. Dann stellte er den Orchideenstengel in die Vase, setzte sich, betrachtete angewidert den Stapel Post auf seinem Schreibtisch und griff nach dem obersten Brief, in dem die Präsidentin eines Frauenklubs in Montclair sich erkundigte, ob und wann sie mit hundert weiblichen Mitgliedern anrücken könnte, um die Orchideen zu besichtigen. Der Brief war schwer verdaulich, und ich hätte ihn am liebsten unterschlagen.
Er sah die Post durch, legte den Briefbeschwerer darauf und sah mich an. »Hat jemand angerufen?«
Eine völlig überflüssige Frage, weil ich es ihm sofort melde, wenn sich etwas Wichtiges ereignet hat. Ich tat ihm den Gefallen. »Ja, Sir, Lon Cohen. Er möchte einen Reporter herschicken, der Miss Blount interviewt.«
»Warum haben Sie ihm gesagt, daß sie hier ist?«
»Sie wissen verdammt gut, daß er's von mir nicht erfahren hat. Ein paar Zeitungsschnüffler haben sie vermutlich erspäht, als sie frische Luft schnappen ging, und sind ihr bis hierher gefolgt. Wir könnten doch Saul, Fred und Orrie als Wachtposten vors Haus stellen.«
»Ihre dummen Witze können Sie sich sparen, Archie!«
Dann nahm er unsere Klientin aufs Korn. »Miss Blount. Sie werden sich zurückziehen, sobald Mr. Kalmus eingetroffen ist.«
»Ich möchte aber lieber dabei sein.«
»Nein. Mr. Goodwin wird Ihnen später Bericht erstatten. An der Unterredung werden Sie nicht teilnehmen.«
»Doch. Ich will hören, was er sagt.«
Wäre er in seiner normalen Gemütsverfassung gewesen, dann hätte er mir befohlen, sie hinaufzutragen und in ihrem Zimmer einzuschließen.
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